Distelfalter @ Albert Krebs

Insektensterben

Seit vielen Jahren machen Naturschutzorganisationen die Öffentlichkeit auf das Verschwinden der Insekten aufmerksam. Besonders dramatisch ist die Situation im Kulturland und bei den Gewässern. Im Oktober 2017 bestätigte eine Langzeitstudie aus Deutschland das Ausmass des Insektenverlusts. Dieser Rückgang hat nicht nur Auswirkungen auf die Ökosystemleistungen der Insekten (z. B. Bestäubung), sondern betrifft auch die gesamte Nahrungskette, da sich viele Tiere von Insekten ernähren.
  


Ein Rückgang um mehr als 75%

Die zwischen 1989 und 2015 in mehr als 60 Schutzgebieten Westdeutschlands durchgeführte Studie ergab einen Rückgang der Biomasse der Fluginsekten um mehr als 75% innert 26 Jahren. Diese Entwicklung betrifft nicht nur einen Lebensraumtyp, sondern alle analysierten offenen Lebensräume. Betroffen sind alle Insektenarten, nicht nur seltene oder gefährdete Arten.

Im Oktober 2019 erschien eine weitere Studie in "Nature", die den Rückgang belegt. Ein internationales Forschungsteam hatte zwischen 2008 und 2017 in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg auf Wiesen und im Wald über eine Million Insekten gesammelt. Das Fazit: In beiden Lebensräumen ist innert nur zehn Jahren etwa ein Drittel der Insektenarten verschwunden. Alarmierend ist auch der Rückgang der Insekten-Biomasse: Diese ist in zehn Jahren im Wald um etwa 40 Prozent zurückgegangen, auf den Wiesen gar um zwei Drittel.

2023 bekräftigten neue Zahlen aus der DINA-Studie aus Deutschland den Rückgang der Insektenbiomasse erneut. In einer Analyse stellten Forschende klar, dass die Ursachen multifaktoriell sind und das Wetter mit rund 20 % des Einflusses nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Die Schlussfolgerungen der Studien lassen sich auch auf die Schweiz übertragen – die Nutzungsänderungen in der Landwirtschaft gleichen sich, naturnahe Strukturen wie Hecken, Ruderalflächen, Brachen etc. sind auch in der Schweiz weitgehend verschwunden. Die nationalen Roten Listen zeigen denn auch, dass auch in der Schweiz rund 60% der Insektenarten bedroht sind. Dramatisch ist die Situation bei Insekten des Kulturlands und der Gewässer. Dies ist überdies ein Abbild für den allgemeinen Verlust der biologischen Vielfalt, bedingt durch unsere nicht nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und unserem Umgang mit der Umwelt.
  


Die Ursachen des Rückgangs

  • Neben der intensiven Bewirtschaftung von Feldern und Wiesen mit einem hohen Einsatz an Pestiziden mangelt es im Kulturland auch an Strukturen. Fehlende Strukturen im Kulturland wie Brachen, Blumenwiesen oder Ackerrandstreifen, Hecken und Feldgehölzen mit blütenreichen Säumen etc. ermöglichen es nur noch sehr wenigen Insektenarten genügend Nahrung zu finden und sich erfolgreich zu reproduzieren. Insektenfeindliche Mähmethoden oder das Mähen sämtlicher Flächen auf einmal oder zur falschen Zeit sowie der Abtransport mit Siloballen tragen zusätzlich zum Rückgang bei. Unter der intensiven Bewirtschaftung leiden nicht nur die Insekten, sondern auch Kleintiere wie Amphibien, Reptilien, Vögel und kleinere Säugetiere wie die Haselmaus.
      
  • Im Wald fehlen die artenreichen Zerfallsphasen weitgehend, lichte Wälder sind selten. Im stark beschattenden gleichförmigen Wirtschafts-Hochwald hat es wenig Licht, weniger Krautschicht und daher auch weniger Insekten.
      
  • Im Siedlungsraum schliesslich werden zu viele Böden versiegelt. Gärten enthalten weitgehend exotische Pflanzen, auf denen nur wenige Insektenarten leben können. An vielen Lampen verbrennen Insekten während der Nacht oder sie fliegen bis zur Erschöpfung.

Eine umfassende Auslegeordunung zu den Ursachen des Insektensterbens finden Sie in einem Bafu-Bericht vom August 2019 (PDF).
    


Gravierende Konsequenzen auch für den Menschen

Insekten sind für eine ganze Anzahl an Ökosystemleistungen verantwortlich. Fehlen die Insekten, fallen auch diese Leistungen je länger je geringer aus:

  • Bestäubung: Sehr viele unserer Nutzpflanzen werden durch Insekten bestäubt. Je vielfältiger die Bestäuber, umso eher ist auch ihre Leistung gesichert.
      
  • Schädlingsregulation: In Brachen und Feldrandstreifen mit einer hohen Pflanzenvielfalt leben auch viele nützliche Insektenarten, welche für Kulturpflanzen schädliche Insekten fressen. Damit können letztere keine grossen Bestände entwickeln. Fallen nun die Nützlinge weg, so können die Schädlinge überhand nehmen.
      
  • Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung: Viele Insekten, Mikroben und weitere wirbellose Tiere tragen zum Abbau von totem Pflanzenmaterial und toten Tieren bei. Damit geben sie Nährstoffe an den Boden zurück und tragen zur Humusbildung bei. Der Boden kann so auch mehr Wasser speichern. Mit dem Verlust dieser Tiere geht auch die Bodenqualität zurück.
      
  • Nahrungsgrundlage: Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien ernähren sich von Insekten. Je geringer das Nahrungsangebot ist, umso stärker werden auch die Insektenfresser beeinträchtigt.

  


Was wir für die Insekten tun können

Lösungen für die Probleme sind längst bekannt. Wir müssen nun endlich handeln:

  • In der ganzen Landschaft braucht es eine ökologische Infrastruktur, die auch den Insekten das Überleben sichert.
      
  • Die Landwirtschaft muss endlich einen wirksamen ökologischen Ausgleich bereitstellen. Pestizide im Kulturland und in Gewässern sollen stark reduziert werden. Die Mahd von Wiesen soll naturverträglich erfolgen.
      
  • Im Wald braucht es vermehrt lichte und alte Wälder, welche Lebensraum zahlreicher Insektenarten sind. Anstelle von gleichförmigen Hochwäldern braucht es eine lichtere Dauerwaldbewirtschaftung.
     
  • Strassen-, Bahn- und Uferböschungen und Wegborde sollen nicht im Sommer gemulcht, sondern im Herbst mit Balkenmäher gemäht werden. Teilflächen sollen als Überwinterungsplätze stehen bleiben.
      
  • Jeder kann in kleinem Rahmen vor der Haustür etwas beitragen. Wer in seinem Garten oder auf seinem Balkon einheimische Blütenpflanzen setzt, bietet Insekten einen reich gedeckten Tisch. Eine Blumenwiese statt eines einheitlichen Rasens ist ein echtes Insekteneldorado, ebenso eine Hecke mit einheimischen Sträuchern. Totholz und offene, sandige Bodenstellen bieten Nistplätze für Insekten, zum Beispiel für Wildbienen. Pestizide haben auch im Siedlungsraum nichts zu suchen.
    Natur rund ums Haus fördern
     
  • Es sollen nur insektenverträglichere Lampen verwendet werden. Licht soll nur dort brennen, wo es gebraucht wird und wann es gebraucht wird (Bewegungsmelder).
    - Broschüre "Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht" (PDF)
    - Flyer "Für eine naturfreundliche Beleuchtung von Haus, Hof und Garten" von BirdLife Aargau (PDF)

 


Fazit

Die oben erwähnten Studien wie auch die Roten Listen der Schweiz zeigen, dass die Situation der Insekten sehr beunruhigend ist. Die Frage ist nicht mehr, ob Insekten Probleme haben oder nicht, sondern wie und wie schnell wir schnell handeln, um diesen dramatischen Rückgang zu stoppen.
    


Weitere Infos/Links

Artikel über das Insektensterben:

Seiten von BirdLife Schweiz: